"Das Leben soll Spass machen, da bin ich mir sicher"

Tina Schütze, Achtsamkeits-Coach aus Berlin
Einfach locker bleiben und das Leben genießen - das ist Tina Schütze wichtig. Foto: Hendrik Thul

Sie hat selbst Kinder, lebt in Berlin und weiß, wie das Leben so tickt: Tina Schütze - mit allen Unbillen zwischen Familienalltag und Brötchenverdienen vertraut. Ihre Erfahrungen gibt sie als Life- und Achtsamkeits-Coach weiter. "Ich glaube, das Mama- beziehungsweise Papa-Werden bringt in einem Menschen sehr viel in Bewegung, es lässt uns vieles hinterfragen und zeigt, wie wichtig die eigene Rolle und Kraft in diesem System Familie ist. Und damit auch die Notwendigkeit, gut für sich zu sorgen“, sagt die Buchautorin ('Werde die Frau deines Lebens', Fischer-Verlag, 9,99 Euro)*.

"Ich achte darauf, jeden Moment aktiv zu leben"

Was rätst du als Coach Eltern, die keine Zeit mehr für sich finden?

Wichtig ist erstmal zu hinterfragen, wozu es dir dient? Die Zeit ist ja da und zwar für alle die gleichen 24 Stunden, jeden Tag, jede Woche. Und aus meiner heutigen Sicht noch so viel mehr. Es gibt keinen Grund, sich in dieses einengende Zeitraster zu fügen. Wir alle haben alle Zeit der Welt. Was würde denn passieren, wenn du dein Leben so gestalten würdest? Stell dir vor, es ist für alles gesorgt und du hast alle Zeit der Welt: Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte? Zeit ist ein spannendes Thema. Zeit ist Geld. Beides kann sehr mit Mangelgefühlen und entsprechenden Glaubenssätzen verbunden sein.

 

Viele haben allein beim Gedanken daran, kurz auszubrechen und sich Zeit für sich selbst zu nehmen ein schlechtes Gewissen, weil sie sich damit scheinbar von ihrem Kind/der Familie abwenden. Handeln Eltern egoistisch, die sich ab und zu rausziehen?

Oh, das ist sehr komplex. Jeder Mensch agiert und reagiert ja sehr individuell. Da spielen eigene Erfahrungen eine Rolle, die Prägung durch die Eltern, durch die eigene Kindheit. Ein Vater, der zum Beispiel als Sohn einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen ist, wird sich vielleicht nur schwer zurückziehen können, weil er seinem Kind nun der Vater sein will, den er selbst nie hatte. Oder genau umgekehrt: Mein Vater war ja auch nie da...

"Meine Familie lacht sich immer über meine Schwäche für 'Edle Tropfen' schlapp"

Das ist echt interessant, so habe ich das noch nie gesehen.

Ja, das kann extrem unterschiedliche Ursachen und Auswirkungen haben. Darüber hinaus sind auch die Absprachen auf Paarebene sehr wichtig. Wenn Mann und Frau Mutter und Vater werden, ändert sich der Tagesablauf, Bedürfnisse - und wie helfen sie sich dabei? Wie viel Raum braucht jeder? Wieviel Zeit? Für sich selbst und miteinander, mit der Familie? Dem einen reichen zwei Stunden mit Freunden oder ein Nachmittag, andere müssen richtig weg, am besten übers Wochenende oder eine ganze Woche. Einige brauchen nur Ruhe, andere wollen Inspiration, Hilfe, Input. Das ist wirklich sehr, sehr verschieden. Und sicher auch von Anzahl und Alter der Kinder abhängig.

 

Was sind deine persönlichen Rückzugsorte- und -momente im Alltag und wie schaffst du es, sie zu realisieren? 

Ich achte darauf, jeden Moment ganz aktiv zu leben. Das beginnt morgens im Bett, mit einer großen Dankbarkeit für den neuen Tag und endet abends, wenn ich schöne Momente des Tages verinnerliche und Revue passieren lasse, was ich gelernt und erlebt habe. Das ist anfangs eine Lernaufgabe und mit der Zeit ein Automatismus. Ich beobachte meinen Atem und schaue, dass ich mich immer gut mit Sauerstoff versorge. Ich trinke viel Wasser und achte überhaupt sehr darauf, mit welcher Energie ich meinen Körper nähre. Emotionen, Wissen, Erfahrungen, genauso wie Nahrung. Wenn ich esse, bin ich dankbar für das, was auf meinem Teller ist und schaue, dass ich die Mahlzeit auch ganz bewusst genießen kann. Kein Streit am Tisch, kein Telefon/Rechner, kein Radio, kein Fernsehen. Natürlich gibt es auch Schokolade. Ich liebe Schokolade und esse auch nicht immer nur die gute Raw-Variante aus dem Biomarkt. Meine Familie lacht sich immer schlapp, über meine Schwäche für 'Edle Tropfen'. Zucker, Alkohol sind alles andere als ein Lebensmittel, doch ab und zu gehört das zu meiner Lebensqualität und dann genieß’ ich das auch.     

Der Genuss darf nicht zu kurz kommen, oder?

Das ist vielleicht der wichtigste Punkt: Ein Leben mit Qualität zu gestalten - das was für MICH Lebensqualität bedeutet und Anderen einzugestehen, dass für sie andere Dinge, Erfahrungen wichtig sind. Die Ayurvedische Lehre ist dafür sehr hilfreich. Wir sind Individuen, mit individuellen Bedürfnissen und sollten das auch wertschätzen. Für mich ist jeder Tag ein großes Geschenk und so bin ich bereit anzunehmen, was der Tag bringt, auch wenn es sich zunächst vielleicht nicht unbedingt superschön anfühlt. Nehme mich selbst ernst und wichtig, ohne das Leben allzu ernst zu nehmen? Es soll Spaß machen, da bin ich mir sicher. Wir sind hier, um zu lernen und zu wachsen und das mit allen Sinnen. Es darf eine sinnliche und wundervolle Erfahrung sein. Das Leben selbst ist ja schon das größte Wunder überhaupt. Das sollten wir nicht vergessen, sondern ganz, ganz oft zelebrieren. Ob allein, mit der Familie und/oder Freunden, entscheidet jede(r) selbst.

 

Hast du feste Rituale im Tagesverlauf?

Nicht viele. Jeden Moment bewusst Sein. Jeden Morgen 3 bis 4 Kundalini-Atemrituale. Tägliche Meditation(en). Bewegung: meist die Fitness-Minis* über den Tag verteilt. Zeit nehmen für frisches Essen, in Ruhe. Und immer wieder nach innen Lauschen. Und Dankbarkeit.    

 

Danke für das interessante Interview, liebe Tina! Alles Gute für deine weiteren Projekte.

Autor: Sebastian Priggemeier

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